Hilfe an der richtigen Stelle

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Personenzentrierte Komplexleistung – welch ein sperriger Begriff. Dennoch werden mit ihm Barrieren überwunden. So beispielsweise in den Teilhabezentren in Gotha und Waltershausen: Die Einrichtungen des Bodelschwingh-Hofs Mechterstädt e.V. arbeiten nun seit eineinhalb Jahren mit diesem Ausdruck. Er bedeutet, dass Menschen in ihren individuellen Situationen auch individuelle Hilfe und Unterstützung bekommen.

Auch Eiliko Wenzlaff arbeitet mit seinen PKL-BetreuerInnen (PKL: Personenzentrierte Komplexleistung) vor allem an sich selbst. „Nach einer Therapie bin ich nach Gotha gezogen, um weiterhin Hilfe zu bekommen“, berichtet der 21-Jährige aus Bad Langensalza. Wenzlaff weiter: „In der Therapie konnte ich mich schon ein wenig öffnen, dennoch haben meine PKL-BetreuerInnen auch die tiefsten Tiefen miterlebt. Beispielsweise erinnert er sich, eines Tages im Wald neben seinem Erbrochenen wieder zu sich gekommen zu sein. „Als Realitäts-Check“, so sagt er, habe ein Dorn gedient, den er in seinen Fuß ritzte. Solche Ausfälle haben sich im Hilfeprozess später nicht wiederholt.

Seine bipolare Erkrankung wirft ihn von großer innerer Unruhe in tiefe Depressionen und umgekehrt. Der Umgang damit ist für sich schon eine große Aufgabe. Spannend wird es, wenn jemand dabei sein Abitur nachholt – wie eben Eiliko Wenzlaff. „Wir verstehen es als unseren hauptsächlichen Auftrag, ihn auf dem Weg zum Abitur zu begleiten und zu stabilisieren. Dazu gehört natürlich auch, dass wir zwischen der Manie und der Depression balancieren können“, erklären seine BetreuerInnen.

Sollte die Stabilisierung fehlen, sieht es für Eiliko Wenzlaff so aus: „Ich war mal drei, vier Monate nicht in der Schule. Immer zum Jahreswechsel habe ich dasselbe Problem. Dann geht die Schei… wieder los und alles ist egal. In so einer tiefen Depression habe ich Angst, zu spät in der Schule zu sein und dafür einen Anschiss zu kassieren. Also bleibe ich gleich ganz zu Hause – aber das stresst noch mehr. Ein Teufelskreis.“

Wenzlaff hätte sein Abitur am Wirtschaftsgymnasium in Gotha Sundhausen bereits ablegen können, hätte er nicht mit solchen Phasen umgehen müssen. Dass ein Abitur überhaupt in Reichweite ist, verdankt er einer Mitarbeiterin vom Fachdienst für Betriebliche Inklusion, der ebenfalls dem Bodelschwingh-Hof Mechterstädt e.V. angegliedert ist. „Wir sind einige Möglichkeiten durchgegangen und sie meinte dann; du hast doch etwas in der Birne, wie wär’s mit einem Abi?“, erinnert sich der 21-Jährige. „Also haben wir fünf Bewerbungen losgeschickt und alle wollten mich. Das war ein tolles Gefühl.“

Den Realschulabschluss bereits mit 1,8 in der Tasche und das Abitur für 2024 fest im Blick. Danach solle es bestenfalls mit einer Ausbildung zum Steuerberater weitergehen. „Ich kann nicht gut mit Menschen, aber ich kann gut mit Zahlen“, kommentiert der gebürtige Langensalzaer. Der Weg dorthin sei weit und selten einfach. Gerade deswegen wisse er ziemlich genau, woran er arbeiten möchte: „Ich habe sozusagen ein allgemeines soziales Unbehagen. Vor allem in Gruppen bin ich ein Wrack. Die Kraft geht schnell dahin und wenn ich mich auf Negatives einlasse – was ich leider sehr gut kann – reißt es unter mir den Boden auf.“

Seine Betreuerin und sein Betreuer, die seine Ehrlichkeit und seine Selbstreflexion sehr schätzen, arbeiten mit ihm in vielen Lebensbereichen. Wenzlaff: „Hauptsächlich kümmern wir uns um das Einkaufen, Aufräumen, um Behörden und vor allem machen wir Folgendes: Wir reden. Wir gehen einfach raus und reden. Das tut richtig gut.“

Mit der Unterstützungsform Personenzentrierte Komplexleistung macht sich also Eiliko Wenzlaff auf den Weg zum nächsten Etappenziel, dem Abitur. Weitere Ziele sind: „Teamfähiger sein, auch privat. Eine Berufsausbildung. Vielleicht eine andere Wohnung. Mit beiden Beinen im Leben stehen und mir nicht so viele Gedanken machen. Ich mag es simpel.“ Die Zwischenzeit verbringt er gern mit Zeichenblock und Bleistift oder mit seiner Gitarre. Er spiele gern – „aber nur zu Hause, für mich, allein.“ Noch.